Eine Reise in den Iran im Jahr 2016 – einige persönliche Eindrücke

Mo. 16.5. 2016 Abflug 17.45 Muc  23.00 Doha 2.05  Schiraz 3.20: Ali Qapu-Hotel

 

Di. 17.5. 2016 Shiraz, Stadt der Dichter und Rosen (1600m): Eram-Garden 18. Jh.,

Mausoleum Saadi,  Khan Restaurant, Nasr-al-Mulk-(Rosen)Moschee: persische Bauweise Iwan mit Rosen und Häusern 19. Jh. 

Zwei kurze Begegnungen am Anfang, zwei am Ende – jeweils im Park. Sie sind wie Spots, die kurz etwas beleuchten. In der islamischen Republik Iran gelten im öffentlichen Raum klare Regeln: kein Alkohol, körperbedeckende Kleidung für alle und Schleier bei den Frauen. 

In Shiraz im Eram Garden, einer wunderbaren Parkanlage, nach der offiziellen Erklärung, bei der wir erfahren, dass wie  Romeo und Julia hier eine schöne Frau und ein schöner Jüngling (Josef v. Ägypten)  auf dem Gebäude abgebildet sind (dazu ein schöner Garten = Paradies, persisch) spaziere ich in die Randbereiche und sehe, wie sich zwei junge Damen gegenseitig fotografieren – ohne Kopftuch. Zuerst die eine stehend, dann die andere. Sie legt sich mitten in die Blumen, perfekt geschminkt mit großzügigem und üppigem  Dekolleté. Der männliche Blick sagt: eine Blume inmitten von Blumen. Der soziale Blick sagt: die Jugend will leben nach der eigenen Fasson. Auf dem Gehweg oben unter der Laterne ist eine Kamera installiert. Wandernd in das andere Eck des Parks spricht mich ein junger Mann an. Er sucht den Kon-takt, spricht sehr gut deutsch, kommt aus Isfahan, hat an der Uni Deutsch studiert und verteilt nun in Shiraz Gasrechnungen. Arbeitsplatz! Nur dann kannst du eine Frau heiraten, eine Familie ernähren. Offiziell. Iran - ein zerrissenes Land.

Achmad, ein sympathischer Guide, der auf jede Frage eingeht, erzählt von der 12er Schia vom letzten Mahdi, der wiederkommt. Er bringt Gerechtigkeit und Frieden für alle Menschen, die „muslimisch“ werden.

 

Mi. 18.5.2016  Persepolis 518 v. Chr. Dareios I. gegründet: Apadana Völkerrelief, 100-Säulen-Palast; Reliefinschrift: Ahura Mazda hat mir die Macht verliehen. Dareios-Palast;

Xerxes:  Tor der Völker, eigener Palast;  Gräber des Artaxerxes II und III; 

Die ältesten Funde gibt es in Kashan.  4000 v. Chr. iranisch-mesopotamische Kultur = Wiege der Weltkultur so Achmad. 

Sprache hat sich entwickelt.

Neujahrsfest Nouruz längste Nacht des Jahres: seit Zarathustra wird es gefeiert. Es gilt Was-sermelone und Granatapfel zu essen. Es ist  ein Feuerfest. Davor wird das Haus geschüttelt = gründlicher Hausputz!  13 Tage Schulferien, am 13. alle draußen.  7 Dinge brauchst du zum Fest: Weizen, Knoblauch, Essig, Gewürze, Süßigkeit, Koran und Spiegel.

Die Dattelpalmen sind gezählt wie Menschen. 20 Sorten gibt es, für eine Trauerzeremonie nur Datteln. 

Nagh-e-Rostam, Grabmäler mit Felsenreliefs: Rostam war ein großer Sagen-Held. Dareios, Finger vor Mund = Ehrerbietung! Investitur Ardashir I: Ring der Macht erhält von Ahura Mazda. Daneben evtl. Feuerturm der Zoroaster, die keine Leichen verbrennen, da die vier Elemente Luft, Wasser, Erde und Feuer rein bleiben müssen. 

Shiraz: Zum Grabmal von Hafez inmitten eines prächtigen Parks kommen viele Iraner, berühren sein Steingrab, halten andächtig inne:

Jeder sucht den Freund hier, ob er

nüchtern oder trunken sei,

Und der Liebe sind Moscheen wie

Christenkirchen aufgetan.        Hafis

 

Hafis ist tot, ein Wellensittich muss nun Lebensweisheiten ziehen.

Zitadelle, Brücke und Basar: im Verkauf stehen nur Männer außer bei Parfümen - je zwei

Frauen (Gewürze werden eingekauft), Abendessen in der Stadt.

Iran ist dreimal so groß wie Deutschland mit auch 80 Millionen Einwohnern. Das Wort „Iran“ ist alt. Um 1600 v. chr. wanderten vom Aralsee Reiternomaden ein: Baktrer und Sogder nach Ostiran, später Meder und Perser ins Hochland. Diese auf Pferden wurden als „Edle“ gese-hen, das Land der Arier kommt von Airya/ Era´n = Edle. Zu finden erstmals auf Inschriften von Dareios I und Xerxes. Persien kommt von Pa´rsa, Region der Perser. Die Sprache heute bis Afghanistan ist Fa´rsi.

 

Do 19.5.2016 Zakros-Gebirge (Pass 2700m),  Pasargadae (Kyros-Grab!),  Abarkuh-Zypresse,  Yazd (Totenturm)

Welch reiche Kultur! Und immer wieder umkämpft. Persepolis eine grandiose Anlage mit dem großartigen Relief, das die Völker der damaligen Zeit zeigt. Und das Kyros-Grab. Steht einfach da in schlichter Erhabenheit. Und wird besucht von den Iranern. Es ist für sie ein nationales Identitäts-Denkmal. Das spürt man auch bei anderen Stätten. Das ist ihnen wichtig, da sind sie stolz drauf. Das lassen sie sich nicht nehmen, ob Muslime kommen, Mongolen oder Europäer, ob Schahs regieren oder Mullahs. Kyros-Inschrift: „Ich bin Kyros König der Achämeniden.“ Da bestand des größte Reich und Religionsfreiheit (Edikt für Israel 538 v. Chr.). Es wurde von den Muslimen nicht zerstört, weil es volkstümlich das Grab der Mutter Salomons war.           Die Säulen-Steinringe wurden schon damals mit Eisenklammern verbunden.

Kurze Teepause mit Keksen und Tee von Reza, dem Busbegleiter. Abbas ist der Busfahrer.

Luth-Wüste hat heißesten Punkt der Erde: 67°!

Um 1000 n. Chr. hat der Dichter Ferdowsi die persische Sprache gerettet. Erzählungen wie die traurige von Rostam und seinem Sohn, beides Helden, die sich nicht erkennen und wie bei einer griechischen Tragödie im Kampf gegenseitig töten.

Einfaches Mittagessen in einer Plantage mit Feigenbäumen, Granatäpfeln, Weinstöcken, Pfirsichen. Begrüßt werden die Gäste in allen Sprachen, auch in deutsch.

Die Abarkuh-Zypresse ist der älteste Baum, über 1000 Jahre alt. Früher mit Wunschzetteln voll behängt, jetzt eingezäunt. Wohl zu viele Touristen!

Fahrt über das Gebirge, Pass auf 2700m;   Achmad: es gibt 30 stattliche TV Kanäle und Satelittenschüssel. Serien werden synchronisiert. So entstehen oft neue Filme. Zum Studium können alle gehen, die Berufschancen danach sind gering. Da werden eher Frauen ange-stellt, weil sie nicht soviel fordern. Der Mann muss die Familie ernähren. Ihr Geld ist Ihres.

 

Yazd ist das Zentrum des Zoroastrismus. Zarathustra vertrat um 12oo v. Chr. oder später den Ein-Gott-Glauben an Ahura Mazda. Wir sehen Feuertempel und Totentürme.  Dr. Renz brieft uns, was wir über das Judentum alles von Zarathustra übernommen  haben: Gut kämpft gegen Böse. Der Mensch muss mithelfen mit gut denken, gut reden und gut handeln, dann wird beim „Jüngsten Gericht“ das Gute siegen. Einer bringt Gerechtigkeit und Frieden. Die Engellehre und die apokalyptische Sicht stammen von Zarathustra.

Frage: Echnaton in Ägypten führte auch plötzlich eine Religion mit einem Gott ein. Religionsgeschichtliche Entwicklung: irgendwann sind viele Götter ein paar zu viel. Der Mensch fokussiert sich auf ein Anbetungs-Ziel.

Totenturm, Turm des Schweigens: da wurden die Leichen hingebracht und oben auf der Fläche ausgelegt, unten die Häuser zur Vorbereitung. Geier kommen und fressen das Fleisch weg, Priester beobachten (zuerst rechtes Auge = Himmel, linkes = Hölle).

Hotel Safaiyeh Parsian, großes Hotel mit vielen internationalen Gruppen, gutes Essen; Spaziergang im Park: Feiertagsstimmung viele beim Picknick oder Spielen

Fr. 20.5.2016 Yazd Stadt der Windtürme in Wüstenklima und Stadt der Zoroaster.

39°  haben wir heute: Feuertempel, Windtürme, Freitags-Moschee, Basar;

Feuertempel: ewiges Feuer, rechte Hand = rechter Weg, Ring = Macht, Flügel dreifach = gut denken, gut reden, gut handeln! Mit 15 Jahren entscheidet der Junge, Zoroaster zu werden und tritt vor den Priester. Drei Fragen hat er zu beantworten: woher komme ich? Wohin gehe ich? Wem will ich Segen sein?

Lehre: zukünftig kommt Sashanid   und bringt Gerechtigkeit und Frieden. Moment das habe ich doch schon gehört: Mahdi kommt wieder, Messias kommt wieder. ???

Windtürme kühlen Wasserspeicher bis heute: Äste für Tücher im Winter – beeindruckend!

Freitags-Mosche ist immer die älteste Moschee in einer Stadt. Kufi Schrift ist quadratisch, gut für Kacheln etwa „Allah“; „Keller“ einer Moschee = Shabestan für Sommer!

Lehm-Altstadt „Fahadan-Viertel“: zwei Türklopfer für Mann und Frau; Gassen verwinkelt gegen Sandsturm, Mittagessen im Innenhof (Kamel); Eingangsportal Amir Chaqmaq, Basar geschlossen, ehemaliges Hamam als Teehaus, großes Holzgestell für Prozessionen

Abendessen in der Altstadt 

Sa. 21.5.2016  Nain (Herrenhaus),  Isfahan: Freitagsmoschee, historische Brücke 

Na´in: abbasidische Freitagsmoschee eine der ältesten um 960 n.Chr.: Schattenspiele durch die Ziegelornamente als Verzierung;    Haschdi ist der Eingangsraum eines Herrenhaus, dann kommen Privaträume mit Innenhof für die Familie, und Biruna, der Arbeitsraum mit Innenhof. Im Orient gab es  schon immer die klare Trennung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Raum. Das Nomadenzelt ist Raum der Frauen und Familie. Abraham empfängt die Drei unter der Eiche von Mamre. 

Mittagspause (Reis mit Rosinen)! 

Sauberes Land: Jede Toilette hat Seifenspender, auch in der ein-fachen. Und die Männer waschen sich ausführlich und genau die Hände danach. Da können manche deutsche Männer was lernen.

Achmad: Hochzeit ist ein gesellschaftliches Ereignis. Eltern führen Gespräche, wie viel Geld der Mann bei einer Scheidung geben muss. Das Datum wird festgelegt. Am Abend vorher bringen die Eltern Geschenke „alles was die Frau fürs Leben braucht“. Kleine Hochzeit mit 300 Gästen, große bis zu tausend. Zuvor zur Behörde: mit Unterschrift sind sie verheiratet. Mann muss die Familie ernähren. Wenn er bei einer Scheidung nicht bezahlen kann, muss er ins Gefängnis – ein gesellschaftliches Problem. Das Heiratsalter liegt jetzt beim Mann bei 32 , bei 27 Jahren für die Frau. Es gibt eine hohe Scheidungsrate:  Kinder unter 7 Jahren kommen zur Mutter, über 7 zum Vater. Die meisten Paare haben nur ein Kind. Im Iran kann ein Mann eine zweite Frau heiraten, wenn die erste einverstanden ist. Oder eine Ehe auf Zeit.

Erbe: Die Frau erbt 1/8, 7/8 durch die Kinder geteilt, dabei die Söhne doppelt. 

Religion ist Privatsache, es gibt keine staatliche Registrierung. Schiitisches Glaubensbekennt-nis: 1. Gott ist einzig. 2. Mohamed sein Prophet. 3. Ali sein Vertreter.

Isfahan: Isfahan ist eine reiche Stadt, lebt von Industrie am Fluss, Landwirtschaft und Tourismus.    Freitagsmoschee mit vier Iwanen, Ziegel aus 12. Jh. Seldschuken, Ziegelkuppel, Mihrab von Oljaitu; Nord- und Südkuppel mit Deckenloch. 

Hotel Ali Qapu, Abendessen im Hotel (Wachtel), Spaziergang zur Brücke Si- o-se Pol (33 Bögen): viel Jugend unterwegs energiegeladen! Viele Familien, viele in schwarz: Vorabend des Geburtstages des 12. Imam – eine andere Stimmung!

So. 22.5. 2016 Isfahan: Behest Pavillon, Maidan 500 x 150m: Königsplatz mit Imam-Moschee und Lotfollah-Moschee(!), Iwan zum Basar, Ali Qapu-Palast: Shah Abbas 1598 zur Hauptstadt macht, mit 40 Stufen ungefähr! Musikraum;  Chehel-Sotun (Vierzig-Säulen-Palast: 20 im Wasser sich spiegeln), armenisches Viertel: Kathedrale und Museum, Bazar (Miniaturmaler) mit Abendessen, Brücke Pol-e Khaju 1650 n. Chr. 

Isfahan eine Perle im Orient mit wunderbaren Brücken und  klassischem Aufbau einer Stadt: Basar mit Karawanserei und Hamam, ab dem 6. Jahrhundert eine Moschee und der Platz als gesellschaftliche Mitte, der Meidan-e Imam, der nach dem Vier-Iwan-Schema vier Gebäude an den Seiten hat. Auf einer Seite die Imam-Moschee, ein prächtiger Bau mit vier Iwanen. Im Karee diagonal gegenüber die Lotfollah-Moschee. Da bin ich ergriffen.  Schon das Eingangs-portal mit Stalaktitengewölbe im feinen blaugrundigen Fayencemosaik begrüßt  und die quadratische Gebetshalle mit acht Bögen und Schriftbändern in Weiß auf Kobaltblau als großartige Kalligraphiekunst empfängt. Ich stehe im Gebetsraum und  spüre in diesem Bau mit der vollkommenen Kuppel, wie alles nach oben schwebt und das Schwere der Erde transzendiert wird, so dass sich das Gefühl einstellt, dem Geheimnis Gott ein bisschen näher zu kommen. Einfach grandios! Wie die Baumeister der gotischen Kathedralen mit dem Bausatz „Gott ist Licht“ oder die barocken Kirchen mit dem Versuch, den „Himmel auf Erden“ zu zeigen. Eine Ökumene der Baukunst!

An diesem Tag ist Feiertag: der Geburtstag des 12. Imam. Überall Picknick der Familien, gelassene ruhige Stimmung über dem Platz. Fast paradiesisch!

Religion als Ideologie oder Machtausübung erstickt das Leben. Iran ist ein gutes Beispiel. Die Muslime vertreten einen strikten Monotheismus. Also werden im 6. Jahrhundert alle Götzenbilder zerstört, in Persepolis zumindest die Gesichter weg geschlagen. Es braucht den Streit der Theologen und nicht die Macht eines Gottesstaates. Der Schah Pahlevi  wollte seinen Staat mit aller Gewalt in die Moderne hieven. Also wurde das Verbot ausgesprochen, einen Schleier zu tragen. Damit hatte er die Landbevölkerung gegen sich. Der islamische Staat sprach das Verbot aus, keinen Schleier zu tragen. Damit hatten sie die moderne Frau in der Stadt gegen sich. Beides mal blieben Frauen für Jahre der Öffentlichkeit fern. Zweimal Verbote -  beides ist Gesinnungsterror. Verbote helfen nicht weiter.

Wie beim Alkohol, wie bei der Begegnung von Männern und Frauen. Iran hat ein großes Drogenproblem. Es gibt viel Alkohol und eine nicht geringe Prostitution. Alles illegal. Letzteres auch wegen einer hohen Arbeitslosigkeit. Und der Korruption. Wer kann sich die tollen Wohnungen im Norden Teherans leisten, die so teuer sind wie in New York?

Armenisches Viertel mit der armenischen Kathedrale und ihre fast naiven Malereien des Jüngsten Gerichts und Christus am Kreuz ist nach den vielen beeindruckenden Moscheen ohne Bilder der Taten Gottes ein kleiner Schock für die Augen. Es tut in den Augen weh. Wie können wir Fremden erklären, was unsere Religion als Heilsweg vertritt? Und ein partielles Bilderverbot hat auch seine Vorteile. Dabei übersehe ich, dass die Kathedrale wie eine Moschee gebaut ist. Daneben ein Museum mit einem fast versteckten Rembrandt und dem  kleinsten Buch der Welt. 

Armenisches Teppichgeschäft: es gibt Verwerfungen in der Reisegruppe. Das steht nicht im Programm! Ich denke mir: Leute wir sind im Orient. Die Märchen 1001 lesen wir gerne, aber es im Basar zu spüren, ist was anderes. Ich wollte die Miniaturmaler sehen und kaufe mir einen kleinen Teppich im Wissen, dass er überteuert ist. Es ist einmal meine Solidarität mit den Armeniern einem geschundenen Volk. Und dann habe ich ein Andenken an meine Iran-Reise. Das kann ich mir in München nicht kaufen.

Ein Teppich ist wichtig: sitzen, Tee trinken, essen, schlafen + Investition der Familie. Der älteste Teppich 500 v. Chr. vermutlich persisch mit 34 Knoten, nun 196 pro qcm. Jede Reli-gion hat ihr Muster. Den Perserteppich hat ein Schweizer erfunden. Vor zweihundert Jahren stellte er 200 Webstühle, gefärbte Fäden und Muster in ein Dorf zum Export für Europa.

Achmad: Die Schiiten haben eine eigene Sunna (= Tradition). Die Theologie ist stärker vernunftbetont. Es braucht die Ratio für die Auslegung. Die eigene Urteilsbildung ist wichtig. Darum erlischt auch eine Fatwah eines Ayatollah mit dessen Tod. Chamenei hat die Fatwah gegen Salman Rushdie sofort wieder aktiviert. Zwanzig Großayatollahs gibt es im Iran/Irak. Die meisten lehnen eine politische Tätigkeit ab, tendieren in eine pietistische Richtung.      Dr. Renz: es gibt christlich-muslimische Gespräche seit 50 Jahren. St. Ottilien pflegt inter-monastische Gespräche mit Reformtheologen anderer Religionen, die gut ausgebildet sind auch in philosophischer Rezeption. Islamwissenschaftler Navid Kermani und Friedensnobel-preisträgerin Ebadi sind Beispiele. Die hohen Theologengespräche zwischen den Religionen  sind mit Schiiten mehr möglich als mit den Sunniten.

Mo. 23.5. 2016  Natanz (Urananreicherungsanlage gesichert mit Artillerie) und Salzwüste Kashan: Wohnhaus (Legende: drei hl. Könige loszogen, Magoi = zoroastrische Priester),  Qom: Theologenzentrum  Teheran: Khomeini Mausoleum, Hotel Parsian Evin Nähe Altstadt, Beginn Bankenviertel; Achmad ist krank – das aktuelle Thema „islamische Republik“  fällt leider aus.

Kashan ist 8000 Jahre alt am Rand der Salzwüste. Als Gruppe besuchen wir eine Rosenwas-serproduktion-Stätte und die Taba´tabei-Villa 1834: Biruni, Privatgemächer, Diener-Räume; Mittagspause im Siyalk Restaurant;    

In Kashan fotografiere ich einen hl. Schrein Sultan Amir Amad in der Moschee. Es gibt viele Wallfahrtsorte bei den Schiiten. Hier ist die Volkstheologie genauso verbreitet wie bei uns Katholischen: Heiligenverehrung, Prozessionen mit großen Gestellen (wie in Spanien), Gebetskette und –stein, Wallfahrtsorte. Wie bei uns im Mittelalter waren die Theologen gegen die Geißler, konnten sich aber nicht durchsetzen.  Dieses Haptische, der Mensch will Dinge anfassen, und Magische macht aus anthropologischer Realitätssicht den schiitischen Islam fassbar und angenehm.  

Theologenstreit gibt es auch heute. Nur von außen schaut der Staat so monolithisch aus.  Wohl Frucht des Todesurteils gegen Salman Rushdie und der Ausschließung westlicher Journalisten im letzten Jahrzehnt. Die Deutschen brachten nicht nur viele Ingenieure ins Land, die etwa das Bahnnetz bauten, sondern sind hoch angesehen in ihrer Philosophie: Zitiert werden von den „Religiösen Aufklärern“ Hegel und Kant im Streit mit dem Argument, Religion vollendet sich im Werden. Die Gegenseite, die an der Macht ist, bezieht sich auf Heidegger. Grundsätzlich zu fragen ist: welchen Islam meinen wir denn? Den Islam Avicennas, den Islam Ibn Arabis, den der Aschariten, der Mystiker, der Buchstabenfresser? Damit sind wir bei Wahrheitsfrage: wer hat die Wahrheit – ganz? 

Die Jugend zieht ihre eigenen Konsequenzen. Da die Religion an der Macht ist, ist sie auch für die vielen Fehler verantwortlich. Diese Säkularisierungstendenz sehen einige Theologen deutlich und plädieren wieder für eine Trennung zwischen Staat und Religion. Machtlos.

Auf dem Weg nach Teheran  halten wir in Qom, dem Wallfahrtszentrum mit der Fatima-Moschee, der Theologenhochburg des Iran. Dort muss jeder Theologie studiert haben, der was werden will (Ayatollah). Es gibt eine klare Hierarchie. Die Schiiten verehren Fatima, Schwester vom 8. Imam, sehr. 70 000 studieren da auf 100 Schulen. Man kann auch an der Uni Theologie studieren. 5 Jahre sind normal. 10 – 12 Jahre für einen Ayatollah wie Chamenei. Noch länger für einen Ayatollah Ozra: Quelle der Nachahmung. Fünf Säulen sind Schiiten wichtig:  an Allah glauben, an Mohamed, an die Nachfolger, an die Gerechtigkeit Gottes und an ein  Leben nach dem Tode glauben. Das kann man selbst forschen. Die zehn Nebensäulen wie 5mal beten am Tag, Fasten, Almosen geben, Pilgern nach Mekka etc. sind nicht zu forschen, sondern nachzuahmen.

In die Stadt kommt man nur, wenn man in einen anderen Bus umsteigt. Dann vor dem heiligen Bezirk sind wir sofort von einer Frau, die alle Frauen mitnimmt in ein Zelt (Tschador ist angesagt!), und von einem Theologen, der uns Männer begleitet „abgeholt“. Unser Theologe gibt sich moderat, versucht Brücken des Religions-verständnisses. Mir fällt aber die Frau auf, ihre starke Mimik, ihre Ausstrahlung. Ich muss sie fotografieren. Im Bus erfahre ich dann: sie ist verheiratet. Ihr Mann kämpft in Syrien gegen die von den USA gesteuerte Invasion (gemeint ist IS). Sie hat nur einen 15-jährigen Sohn. Wenn er auch in den heiligen Kampf ziehen will, lässt sie ihn gehen. Eine Glaubenskämpferin!   

Achmad: Die Arbeitslosigkeit liegt jetzt bei 15 %. Es gibt keine Unterstützung außer einem Monatsgehalt. Man kann sich bei einer der viele Stiftungen anmelden. 15 € pro Familie als Grundstock gibt es seit Ahmadinedzad. Das Durchschnittsgehalt liegt bei 1200 €. Bei 40 % Inflation ist es nur noch 600 € wert. Heute liegt die Inflation bei 15%. D.h. die Frau muss auch arbeiten. Angestellte sind versichert mit ganzer Familie für Rente und Gesundheit.  7% zahlt Arbeitnehmer, 23% der Arbeitgeber.  Das staatliche Krankenhaus ist kostenlos, privat zahlt man 70% selbst. Lehrer sind zu 100% versichert. Nach 30 Jahren Arbeit beginnt die Rente mit 80% der letzten zehn Jahre. Im Todesfall bekommt die Frau die Rente vom Mann. Wenn die Frau arbeitet, ist ihr Verdienst grundsätzlich für sie selbst. Kinder sind bis 18 Jahre + Studium mitversichert.  5% Steuer werden automatisch abgezogen. 

Mit 7 Jahren gehen die Kinder in die Schule vom September bis Mai, davor ein Jahr Vor-schule, Mädchen und Buben getrennt mit Schuluniform: persische Sprache, Mathematik, Naturkunde, 1x Religion, 1x Sport. Danach Oberschule mit Englisch und arabisch, gesamt also 12 Jahre. Ab der 3. Klasse ist Koranunterricht und Schwimmen, ab 4. Klasse schießen, 5. Klas-se reiten (Polo kommt von Persien – von da nach Indien). Abitur machen fast alle. Staatliche Unis sind kostenlos, private zu bezahlen. Bei 600 000 Bewerbern bekommen 500 000 einen Platz nach der Aufnahmeprüfung. Medizin ist sehr beliebt, benötig intensive Vorbereitung. Studentenwohnheime sind kostenlos, später ist es dann zurück zu zahlen. Wer nicht studiert, kann auf die Berufsschule. Es gibt viele Gastarbeiter aus Afghanistan (gleiche Sprache). Gute Ärzte, Landwirte und Ladenbesitzer – Bazaris, die große Rolle spielen, verdienen gut.

Di. 24.5.2016 Teheran eine Stadt zwischen Wüste (1100m) und Gebirge (1700m) mit 12 Millionen Einwohner, sechsspurigen Straßen und großen Smogproblemen und fünf U-Bahn Linien: Reza Palace Museum   Saada-bad-Palast, Fernsehturm, Gespräch mit evangelischem dt.sprachigem Pfarrer;

Die Parkanlage für die Paläste und der weiße Palast sind beeindruckend, aber für bayerische Besucher mit Königsschlössererfahrung nicht übertrieben außer den eigens angefertigten großen Teppichen (größter 142 qm). Held Azar schoss Pfeil und bestimmte so die Grenze Irans. Die Stiefel des Schahs sen. blieben übrig. 

Dann zum Fernsehturm Melad (460 m), ganz neu, es wird noch gebaut. Der neue Fernseh-turm ist das neue Wahrzeichen. Pizza mit Sesam dauert. Iranische Flagge mit grün, weiß, rot von oben und fünfarmigem Emblem = kalligraphisch Allah.

Evangelischer Gemeindepfarrer erzählt: bis 1978 waren mehr als 4000 Deutsche in Teheran, jetzt nur noch 400. Die deutsche Schule hatte mal über 2000 Schüler, nun 20. Die Religions-ausübung ist kein Problem, wenn es in deutscher und englischer Sprache geschieht. Farsisch zu reden, wird genau beobachtet. Eine Event ist der Weihnachtsbasar: nur vier Stunden offen, 800 Personen, viele Schiiten. Liebesmutige nennt er Frauen, die mit Iraner verheiratet hierher ziehen. Staatlich anerkannt müssen sie einen Hochzeits-Vertrag unterschreiben, sind damit Staatsbürgerin und automatisch Muslima (Es ist der Gemeinderat mit den meisten „Schiiten“.). Bei Kindern wird es nun schwierig.  + Echter Kaffee + Dank vor Gott!

Mi.25.5.2016 Nationalmuseum, Gholesta´n Palast, Bazar,  über den Freiheitsplatz zum Flughafen, Abendessen im Novotel Hotel,  22.30  Doha 

Im Nationalmuseum stehen eine Kopie der Gesetzestafel von Hammurabi (1740 v. Chr. älteste Gesetzgebung) und viele wertvolle Stücke von der Bronzezeit über die Achämeniden wie Darius und Xerxes oder Susa bis zu den Griechen. Interessante Entwicklung: hält Hammurabi noch den Mund und bekommt die Macht von Gott, ist später Dareios nun in der gottähnlichen Position und verteilt Macht. So wird man Gottes Stellvertreter.

Der Gholestan-Palast der Janitscharen (19.Jh.) mit viel Silber und unendlich angesetzten Spiegeln, gut bewacht, tausendfache Selbstbespiegelung, hat mich nicht beeindruckt. Aber man spürt, dass ist ein Muss-Programm, da sind sie stolz drauf. Da ist das Fotografieren verboten und die Räume sind gesperrt.                  

Kurz im Basar mit Gruppe, Pistazien gekauft.

Letzte Stunden in Teheran – das Kunstmuseum ist geschlossen wegen Umbau. Also mache ich eingedenk des anstrengenden Rückflugs durch die Nacht das, was alle Iraner machen. Daneben ist ein schöner großer Park. Also Siesta. Nach fünf Minuten höre ich eine Mädchenstimme, sehe ein braungegerbtes Gesicht: „Give me Money.“ Ich bin perplex. Das ist mir hier noch nicht passiert. Langsam realisiere ich: das ist ein Afghanistanflüchtling oder Gastarbeiterin. Später sitze auch auf einer Bank. Nach einiger Zeit setzt sich ein junger Mann in Anzug dazu. Schweigt lange, überlegt wohl, bietet mir schließlich ein Kaugummi an. Im Gespräch erfahre ich dann, er arbeitet in einer Bank, hat Geschwister, will aber auswandern am liebsten nach Kanada. Er hält es nicht mehr aus. Sein Verstand dreht durch. Er will raus. – Eine zerrissene Gesellschaft.

Ich habe auf dieser Reise viel gelernt. Manches Vorurteil musste ich korrigieren. Ein Land mit so vielen freundlichen und offen auf einen zugehenden Menschen habe ich noch nicht erlebt. So selbstbewusste Frauen – sie führten meist das Gespräch –auch nicht. Ein doppel-bödiges Land mit mehrfachen Spannungen: zwischen Kultur und Politik, zwischen dem Leben im öffentlichen Raum und dem Leben im Haus, zwischen Nomaden und Bauern uralt und schon immer zwischen den Reichen und der sozialen Unterschicht,  zwischen sich dem Westen annähern und sich davon abschotten, zwischen Religiösen und Säkularisierten, zwischen Poetik und Verhaltensregeln, zwischen dem aufgesetzten Ideal und der Wirklichkeit, zwischen den Alten mit Anstand und den Jungen, die einfach leben wollen – frei, so wie sie meinen, dass es für sie gut ist. Ein zerrissenes Land.

Do. 26.5. 2016 Ankommen MUC 6.30 (= 9.00 Uhr)

Johannes Hagl

Postskriptum1: total übermüdet komme ich mit der U-Bahn an und warte auf den Bus. Da sitzt ein junges Mädchen mit T-Shirt und kurzer Hose und zeigt ihre kräftigen Oberschenkel. Ich bin im ersten Moment irritiert. Dann fällt mir ein: ich bin wieder im Westen. 

Postskriptum 2: am nächsten Tag öffne ich zwei Mails: die eine weist auf eine iranische Komödie abends im TV hin. Die andere von Amnesty International weist auf eine Frau hin, Mutter von zwei Kindern, die am Teheraner Flughafen nach dem Heimatbesuch am 3. April von der Geheimpolizei verhaftet wurde. Ohne Kontakt verschleppt.